Segen auf leisen Sohlen

Oktober 2013

Eine Filmszene geht mir durch den Kopf: Eine Frau, Ende vierzig, sitzt müde in einer tristen Küche.

 

Auf der Wachstuchdecke stapeln sich die Illustrierten. Sie löst wie besessen ein Gewinnspiel nach dem anderen, in der wahnwitzigen Hoffnung auf den ganz großen Preis. Eines Tages kommt tatsächlich ein Brief und sie ruft aufgeregt ihren Sohn an: „Stell dir vor, ich habe gewonnen!“ „Wie viel?“, fragt er nüchtern. Sie stockt und sagt leise: „Kein Geld, aber, aber eine Ballonfahrt...!“ Man vergisst diese Episode wieder.

 

Es geht nicht um diese Frau in diesem Film, sie ist nur eine Randfigur. Bis es eines Tages an ihrer Wohnungstür klingelt. Ein charmanter, etwas verwegener

 

Mittfünfziger steht vor der Tür: „Hallo! Sie haben eine Ballonfahrt gewonnen und ich bin ihr Pilot. Wann können wir los?“ Er lächelt, sie staunt. Man weiß sofort, dass die beiden ein Paar werden.

 

 

So ist es manchmal mit dem, was wir Glück nennen oder christlich gesprochen Segen: Er verkleidet sich. Segen ist nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Aber auf den zweiten und dann schüttet er sein Füllhorn aus, das so viel mehr Gutes und Schönes birgt, als wir es uns träumen lassen. Genau davon erzählt dieser Film – und das ganz am Rande: Denn Segen kommt tatsächlich oft auf leisen Sohlen.

 

 

Martina Kreidler-Kos, Theologin in Osnabrück