Ein Gang über den Friedhof

Juli 2012

Manche benutzen den Weg über den Friedhof als Abkürzung, andere besuchen Gräber und andere gehen einfach spazieren. Irgendwie haben Friedhöfe auch etwas Anziehendes, obwohl sich die meisten vor dem Tod fürchten. Es gibt sehr schöne, sehr gepflegte Gräber. Aber ich sehe auch uralte Steine, sie stehen unter Denkmalschutz. Auch völlig verwahrloste Gräber sehe ich. Da sind die kleinen Urnengräber, Kindergräber, oft sind sie mit dem Lieblingsspielzeug der Verstorbenen geziert. Da ist das Ehrenmal für die "Gefallenen". Und ein Grab mit Opfern der NS-Zeit, Polen und Russen. Ja, ich kenne mich hier aus. Mich faszinieren die Leute, die am Sonntagmorgen mit ihren Gießkannen herumlaufen, aber nicht in die Kirche gehen. Was ist eigentlich der Friedhof? Endstation, Sackgasse, Deponie? Oh nein, ich will mich nicht über diese ehrwürdige Stätte lustig machn. Aber wir dürfen nicht hier Halt machen, Gott ist ein Gott der Lebenden und nicht der Toten. Unsere Hoffnung ist nicht auf dem Friedhof begraben. Da drüben, am anderen Ufer steht der Herr und wartet. So ging es auch den Jüngern, als sie Jesus nach der Auferstehung am See sahen. Der Blick muss weiter gehen, als bis zum Grabstein. Ich setze mich auf eine Bank, genieße die Stille und denke, alles schön gepflegt hier. Ein würdiger Ort, um über das Leben nachzudenken. Ich stehe auf und gehe weiter, gut denke ich, Jesus, wenn du nicht wärest, wäre jeder Friedhof Endstation. Wir haben hier keine bleibende Stadt. Aber der Friedhof sei eine würdige Stätte der Erinnerung. Es ist interessant, mal die vielen Grabinschriften zu lesen. Ich gehe am Hochkreuz vorbei und verweile enien Moment. Die Gefallenen mahnen uns. Ich denke an das Grab meiner Eltern, bald werde ich mal wieder dort stehen und meinen Gedanken freien Lauf lassen. Ich weiß, es gibt Menschen, die mögen nicht über einen Friedhof gehen, sie haben Angst, es ist ihnen unheimlich. Und ich denke immer noch an die Dame, welche jeden Sonntag in die Kirche geht, aber mit der Auferstehung einfach nichts anfangen kann. Nein, das Grab ist nicht das letzte, das haben wir an Jesu Grab gesehen. Auch die Gräber auf unseren Friedhöfen werden sich irgendwann öffnen, zur Auferstehung.

Wolfgang Müller